In Ihrer neuen Arbeit "Die Stimme in dem, der träumt"
geht Hee Seon Kim der emotionalen Nachtarbeit von Träumen nach.
Das Ausgangsmaterial bilden ihr zugetragene schriftliche Fassungen,
welche Kim als visuelle Form in Angriff nimmt. Das ist nicht nur wegen
der Fragilität der so transportierten und hoch aufgeladenen Bilder
ein Wagnis. Schließlich gibt es eine kulturübergreifende
Tradition der Traumdeutung, in der den nächtlichen emotionalen
Geheimnissen rational Verwertbares abgewonnen werden sollte. Auch
die Darstellung von Träumen in der Filmgeschichte kennt bereits
eine lange Reihe oft weniger geglückter Transfers von solchen
Bildketten in die erzählende Regie eines Films. Die von Salvator
Dali für Alfred Hitchcock entworfenen Traumsequenzen können
hier als bezeichnendes Beispiel für einen weiteren Konflikt stehen:
eine an Sigmund Freud geschulte Kreativität wird Träumen
mit hoher Wahrscheinlichkeit eine funktionale oder gar pathologische
Struktur zuweisen und dem nächtlichen Geschehen eben keine selbständige
Struktur zugestehen. So wird vermeintlich Unvollständiges und
Unstrukturiertes über das Mittel der Analyse zu einem Bestandteil
der - vorab so festgelegten - bewußten Struktur gemacht. Dahinter
verbirgt sich ein ähnlich uralter Wunsch zur Funktionalisierung
dieser ebenso individuellen wie unerklärlichen Phänomene:
wenn die Psyche nachts ihre Sortierung verrichtet (die Freud in der
Analyse dann "Traumarbeit" nennt), ist das geheimnisvolle
Geschehen wieder normal, ebenso wie eine Karten-Patience oder die
regelmäßige Defragmentierung der Festplatte. --->